Seit diesem Sommer verstärkt der Unihockeyspieler Gustav Kroona die NLA-Mannschaft von Waldkirch-St. Gallen. Der 22jährige Schwede ist Profisportler. Ganz einfach ist dieser neue Alltag in der Schweiz nicht.

Text: Raya Badraun/Ostschweiz am Sonntag

Plötzlich war Gustav Kroona Profi. Das Ausland reizte den Schweden. Er freute sich auf die neuen Erfahrungen und die Zeit, die er nun ganz dem Unihockey widmen kann. Von diesem Leben hatte er als Kind jedoch nie geträumt. Unihockey war für ihn vor allem Spass. Erst zwei Schweizer, die im vergangenen Jahr in Schweden gespielt hatten, brachten den 22-Jährigen auf die Idee, es selbst als Profi zu versuchen. Als ihn dann sein Juniorentrainer Fabian Arvidsson für ein Engagement in der Schweiz anfragte, sagte er sofort zu. Alles hatte gepasst. Sein Vertrag mit dem Verein lief aus, im Job gab es eine Veränderung. Gustav Kroona wusste: Wenn er den Schritt jetzt nicht wagt, wagt er ihn nie. So kam er diesen Sommer von der schwedischen Stadt Örebro nach St. Gallen. Der Start war einfach. Kaum war er in der Schweiz gelandet, bestritt er seine erste Partie für Waldkirch-St. Gallen. Kurz darauf reiste er mit der NLA-Mannschaft an ein Turnier nach Prag. Dass sein neues Profi-Leben nicht immer so einfach sein wird, merkte er erst, als der Alltag begann.

Durchgangsort für Spieler

Drei Monate später sitzt Gustav Kroona auf einem ausgebleichten, grauen Sofa in einer Altbauwohnung in St. Gallen. Durch das offene Fenster dröhnt der Lärm des Verkehrs. Lastwagen donnern über die Strasse, Busse halten an, Leute steigen aus und ein. Im Strassenlärm geht Gustav Kroonas Stimme fast unter. Für einen grossgewachsenen, breitschultrigen Spieler ist sie überraschend leise. Ohnehin spricht er nur, wenn er muss. Lieber überlässt er das Reden seinem finnischen Mitbewohner Markus Lajunen. Seit diesem Sommer wohnen sie zusammen in der Altbauwohnung. Gustav Kroona zog Anfang August als Letzter ein. «Deshalb hat er auch das kleinste Zimmer, obwohl er der Grösste ist», sagt Markus Lajunen und grinst.

Das neue Zuhause ist nicht mehr als ein Durchgangsort. Spieler kommen und gehen. Jedes Jahr. Dabei hinterlassen sie kaum Spuren. Seit Jahren stehen die gleichen altmodischen Möbel in der Wohnung. Auch Gustav Kroona hat kaum etwas mitgebracht. Auf seinem Nachttisch steht nur eine weisse Lampe, an den Wänden hängt kein einziges Bild. Das Persönlichste sind wohl die Leibchen, die im Wohnzimmer zum Trocknen hängen. Und ein Sack mit PET-Flaschen, der daneben steht. «Wir kamen noch nicht dazu, die Flaschen zu entsorgen», sagt Markus Lajunen. Dafür brauchen die Spieler das Auto, mit dem der Mitbewohner, Riku Laaksonen, zur Arbeit fährt. Zeit hätten sie hingegen genug. Während ihre Mitspieler arbeiten, bleibt ihnen nur das Warten auf das nächste Training. Viel machen sie dazwischen nicht. Sie schlafen, spielen Playstation, surfen im Internet und kochen manchmal zusammen. Langweilig sei das nicht, sagt Gustav Kroona, der perfekt Englisch spricht. Es sei schön, auch einmal Zeit für sich zu haben. Dennoch sucht er momentan einen Job. Aus finanziellen Gründen hätte er es nicht nötig.

Wohnung und kleiner Lohn

Anders als in Schweden oder Finnland können Spieler wie Gustav Kroona in der Schweiz vom Unihockey leben. Von den NLA-Vereinen erhalten die Ausländer ein Zimmer und einen kleinen Lohn. Der bestbezahlte Ausländer, Kim Nilsson, hatte vergangene Saison bei den Grasshoppers einen Vertrag im Gesamtwert von knapp 100 000 Franken. Das ist jedoch die Ausnahme. «Das Geld reicht zum Überleben», sagt Markus Lajunen. «Ein Job wäre jedoch nicht schlecht.» Auch als Beschäftigung. Gustav Kroonas Leben spielt sich in einem kleinen Radius ab. Die Wohnung verlässt er nur selten, etwa für den Deutschkurs oder das Krafttraining mit Fabian Arvidsson, dem Trainer von Waldkirch-St. Gallen.

Jeden Nachmittag holt dieser ihn mit dem Auto ab. Zusammen fahren sie den kurzen Weg zum Fitnesscenter. Die Mittagspause ist vorbei und kaum jemand sitzt noch an den Geräten. Ein Springbrunnen plätschert, aus den Boxen schallt Popmusik. Gustav Kroona wärmt sich auf dem Hometrainer auf, Kopfhörer in den Ohren. Im Hintergrund joggt Fabian Arvidsson auf dem Laufband. Sie sprechen kaum miteinander. Dennoch sind die beiden mehr als nur Trainingspartner. Sie sind für einander auch ein Stück Heimat in der Fremde. «Ich habe ihn hergeholt», sagt Fabian Arvidsson, der wie Gustav Kroona aus Örebro stammt. «Deshalb muss ich schauen, dass alles gut kommt.»

Kein Leader mehr

Doch gut ist noch lange nicht alles. Sportlich läuft es Gustav Kroona nicht nach Wunsch. Waldkirch-St. Gallen hat diese Saison bisher alle Meisterschaftspartien verloren und belegt den letzten Rang. Die Qualität ist da, doch das Team besteht vor allem aus jungen Spielern. Eine starke Leaderfigur fehlt. Daran konnte auch Gustav Kroona nichts ändern. Als Center hält er zwar die Linie zusammen. Doch anders als in seinen Juniorenzeiten, in denen er Captain war, überlässt er die Führung anderen. «Ich verstehe das», sagt Fabian Arvidsson. Über die Gründe kann er aber nur spekulieren. «Vielleicht liegt es an der Sprache, vielleicht daran, dass alles neu ist.» Dennoch hat Gustav Kroona seinen Platz in der Mannschaft gefunden. Im Training wird er als erstes ins Team gewählt, in seiner Freizeit trifft er sich regelmässig mit Mitspielern. Auch am Freitagabend.

In einer Dachgeschosswohnung eines Teamkollegen sitzt Gustav Kroona auf dem Sofa. Der Geruch von Tomatensauce hängt noch in der Luft. Gustav Kroona beugt sich nach vorne, die Konsole der Playstation in der Hand. Im Fifa-Spiel versucht er, den Fussball in die gegnerische Hälfte zu bringen. Doch er wird ausgespielt und schon fällt das 0:1. «Come on, Gusti», ruft Manuel Rüegg. Doch es ist zu spät. Rasch steht es 0:2 und kurz darauf gar 0:3. «So macht es keinen Spass», sagt Gustav Kroona und lacht. Bereut er seinen Wechsel? Direkt antwortet er nicht. Stattdessen erzählt er von den zwei Schweizern, die im vergangenen Jahr in Schweden gespielt haben. Örebro verpasste damals das Playoff, es sei deshalb nicht einfach gewesen. «Dennoch haben sie den Wechsel nie bereut.»